Am 3. Februar 2021 hat der Bundesrat die Lancierung des Nationalen Forschungsprogramms (NFP) 79 mit dem Titel «Advancing 3R – Tiere, Forschung und Gesellschaft» bekannt gegeben. Das Programm, für das 20 Millionen Franken über fünf Jahre bereitgestellt werden, verfolgt das Ziel, die Zahl der Tierversuche und damit «die Anzahl der benötigten Versuchstiere nachweislich zu reduzieren» und «die Belastung der Versuchstiere im Experiment und in der Haltung» wesentlich zu minimieren. Ausserdem sollen im Rahmen des NFP «ethische, rechtliche, soziale, kulturelle und ökonomische Aspekte von Tierversuchen» erforscht werden. Das NFP 79 wird in enger Zusammenarbeit mit dem 2018 gegründeten und vom Bund finanziell unterstützten 3R-Kompetenzzentrum (3RCC) durchgeführt.
ECHTE FÖRDERUNG VON TIERFREIEN ERSATZMETHODEN?
Wie so oft, wenn es um tierfreie Forschungsmethoden geht, verwässert der Bundesrat den Verwendungszweck der bereitgestellten Mittel derart, dass die finanzielle Unterstützung letztlich wirkungslos bleibt. Die 70 bis 80 Millionen Franken, die Bund und Kantone jährlich allein für Versuchstierhaltungen bereitstellen, werden vollumfänglich für Tierhaltungen in Labors eingesetzt. Warum fehlt ein solch klares Engagement, wenn es darum geht, das Leiden der Tiere abzuschaffen? Ein Budget von 20 Millionen Franken über fünf Jahre bedeutet, dass pro Jahr im besten Fall 4 Millionen Franken für die Ziele des NFP 79 zur Verfügung stehen. Im Vergleich zu den auf mehrere Hundert Millionen geschätzten öffentlichen Geldern, die jährlich in Tierversuche fliessen, sind vier Millionen an sich schon eine armselige Summe.
Wenn dann auch noch ein Teil dieser vier Millionen für schwammige Studien über «ethische, rechtliche, soziale, kulturelle und ökonomische Aspekte von Tierversuchen» reserviert ist, verpasst die Schweiz einmal mehr die Chance, zu beweisen, dass sie das verursachte Tierleid ernsthaft auf ein Minimum reduzieren will.
Ein im Käfig gefangenes Tier zu quälen ist unmoralisch. Sich nicht mit aller Kraft dafür einzusetzen, dass diese Ungerechtigkeit ein Ende findet, ist traurig.
NEIN ZUR BETEILIGUNG DES 3R-KOMPETENZZENTRUMS AM NFP 79
Ein weiterer Grund zur Sorge ist, dass der Bundesrat das 3RCC in die Durchführung des NFP 79 einbeziehen möchte. Der ehrgeizige Plan, ein Kompetenzzentrum zu schaffen, schien anfangs durchaus erfreulich. Doch schon bald nach der Gründung des 3RCC im Jahr 2018 zeigte sich dessen mangelnde Effektivität.
Wie könnte es auch anders sein, wenn fast alle Vorstandsmitglieder Forschende sind, die sich offen zu ihrer positiven Haltung gegenüber Tierversuchen bekennen. So haben zum Beispiel Christian Leumann, Rektor der Universität Bern, Detlef Günther von der ETH Zürich, Rolf Zeller von der Universität Basel oder Gregor Rainer von der Universität Freiburg einen Sitz im Strategierat des 3RCC. Warum sollten diese Mitglieder ernsthaft die Entwicklung von neuen Ersatzmethoden für Tierversuche unterstützen? Trotz grosser Nachfrage aus der Forschung fliesst letztlich nur ein kleiner Teil des jährlichen Budgets von rund 3,5 Millionen Franken in Forschungsprojekte. Für die Jahre 2018 und 2019 hat das 3RCC nach eigenen Angaben 150 Finanzierungsgesuche für Forschungsprojekte aus mehr als 20 verschiedenen Institutionen erhalten. Unterstützt hat es schliesslich nur zehn Projekte mit einer Gesamtsumme von lediglich 2,6 Millionen Franken aus den verfügbaren 7 Millionen.
Mit dieser geringen Zahl an finanzierten Projekten innerhalb von zwei Jahren schafft es das Kompetenzzentrum tatsächlich, noch weniger zu leisten als die einstige Stiftung Forschung 3R, die während 30 Jahren hauptsächlich ihre eigene Nutzlosigkeit unter Beweis stellte. Nach zahlreichen Vorstössen von Bundesparlamentarierinnen und -parlamentariern wurde die Stiftung schliesslich aufgelöst und 2018 durch das 3RCC ersetzt. Was aber noch schlimmer ist als die geringe Auslese: Obwohl 150 der eingereichten Projekte auf den Ersatz von Tierversuchen abzielten, wählte das 3RCC mehrere Studien aus, die nur den Interessen der Tierversuchsforschung dienen. Beispielsweise das Projekt von Philippe Bugnon von der Universität Zürich, der eine Software entwickeln möchte, mit der die Zuchtstrategie für Versuchstiere optimiert werden kann, um die Zahl überschüssiger Tiere zu reduzieren. Oder jenes von Petra Seebeck von der Universität Zürich und Stephan Zeiter vom AO Research Institute Davos, die Minimalkriterien für chirurgische Eingriffe bei Nagetieren aufstellen wollen. Oder das Projekt von Johannes Bohacek vom Institut für Neurowissenschaften der ETH Zürich, der Tools für maschinelles Lernen entwickeln will, um das Verhalten von Nagetieren im Labor besser analysieren zu können.
Zu Letzterem schreibt das 3RCC: «Bestehende Verhaltenstests, bei denen Neurowissenschaftler untersuchen, wie Tiere auf Krankheiten und Behandlungen reagieren, sind oft schwierig zu reproduzieren und meist zu oberflächlich, um der Komplexität des Tierverhaltens wirklich gerecht zu werden.» Ziel des Projekts sei es, «Softwarelösungen bereitzustellen, die es den Forschern erlauben, detailliertere Verhaltensdaten zu extrahieren und bestehende Datensätze neu zu analysieren». Was für ein ‹bahnbrechendes› Projekt – man will also ein mangelhaftes Forschungsmodell zu einem etwas weniger mangelhaften Modell machen. Wirklich sehr ambitioniert.
PETITION ZUM UNTERZEICHNEN FÜR EIN NFP 79, DAS WIRKLICH IM DIENSTE VON WISSENSCHAFT UND ETHIK STEHT.
FÜR DEN ERSATZ VON TIERVERSUCHEN
Nachdem der Bundesrat das Budget und die Leitlinien für das NFP 79 festgelegt hat, ist es nun an der Abteilung IV des SNF, bis Ende Mai 2021 die prioritären Forschungsschwerpunkte festzulegen. Wir fordern, dass mit den öffentlichen Mitteln der Ersatz der Tierversuche gefördert wird.
Wir begnügen uns nicht mit einer Reduktion und schon gar nicht mit einer Verbesserung der Tierversuche. Dies fordern wir in einer Petition, die der Abteilung IV bis spätestens 30. Mai 2021 eingereicht wird.
Bitte unterstützen Sie uns mit der Unterzeichnung und Verbreitung der Petition.
Wir zählen darauf, dass Sie Ihre Meinung durch Ihre Unterschrift kundtun und uns die Unterschriftenbögen bis spätestens 25. Mai zurücksenden (Sehe link Kampagne/Gesuche).
Sie können die Petition auch online unterzeichnen und verbreiten: https://www.thepetitionsite.com/fr/takeaction/699/861/560/
Herzlichen Dank für Ihre Hilfe und Unterstützung!